10. SONNTAG im Jahreskreis

Wie wir gerade gehört haben, hat Jesus es mit seiner Familie auch nicht leicht gehabt. Seine Verwandten sagen: „Er ist von Sinnen. Er spinnt! Es ist gefährlich, was er da alles tut und erzählt.“ Und tatsächlich sagen die Schriftgelehrten, die religiösen Autoritäten: „Er ist vom Teufel besessen.“ Seine Familie will ihn deswegen einbremsen, ihn nach Hause holen. Er soll damit aufhören.

Durch sein Auftreten, durch seine Erzählungen hat Jesus die traditionell Glaubenden provoziert. Er hat z.B. den hochheiligen Sabbat relativiert, indem er sagte: „Der Sabbat ist für die Menschen da und nicht die Menschen für den Sabbat.“ Er hat religiöse Praktiken beiseite geschoben als er seine Jünger in Schutz nahm, die der Vorschrift, vor dem Essen die Hände zu waschen, nicht gefolgt waren. Jesus hat anders von Gott geredet, als man es gewohnt war. Gott, dessen Namen man nicht aussprechen durfte, hat er sehr vertraut, ihn wie in der Kindersprache „Abba“, lieber Vater genannt. Und noch viele andere Dinge mehr.

Oft frage ich mich, ob Jesus nicht auch heute viele unserer kirchlichen Praktiken ähnlich kritisch beurteilen würde? Eine Kirche, die sich in der Öffentlichkeit in ihren Feiern mit viel Prunk präsentiert, mit kostbaren Gewändern und goldenen Monstranzen, mit vielen Verbeugungen in der Messfeier, mit Weihrauch und Bücherverehrungen. Ist das alles im Sinne von Jesus?

Jesus ist auch für seine Familie eine Herausforderung. „Wer ist meine Familie? Wer sind die Menschen, die zu mir gehören, meine Brüder und Schwestern? Wer ist meine Mutter?“ Wie muss Maria, seine Mutter, sich dabei gefühlt haben? Auch im Lukasevangelium gibt es eine ähnliche Situation, wo eine Frau aus dem Volk Jesus zuruft: „Wie glücklich muss die Frau sein, die dich geboren und gestillt hat!“ Und Jesus antwortet darauf: „Noch glücklicher sind die Menschen, die Gottes Wort hören und danach leben.“ - „Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ Nur die Blutsverwandtschaft ist Jesus zu eng. Die Verwandtschaft durch den Glauben ist wichtiger.

Wann erfüllen wir den Willen Gottes, d.h. die Erwartungen, die Gott an uns hat? Jesus hat das einmal zusammengefasst: Wenn wir Gott und den Mitmenschen lieben, d.h. eine persönliche, gute Beziehung zu ihnen entwickeln. Dann betrachte ich auch meinen Mitmenschen als Bruder und Schwester. Wir haben Gott als gemeinsamen Vater, wir sind seine Kinder, wir sind Geschwister. Wir sind einander deswegen gleichwertig. Wir können einander auf Augenhöhe begegnen. Ich bin nicht wichtiger als du und du nicht wichtiger als ich. Wie Gott, unser Vater, nehme ich dich an. Ich möchte dir nur Gutes tun und wünschen, so wie er. Je mehr wir uns mit Gott verbunden wissen, umso stärker werden wir uns auch miteinander verbunden fühlen.

Wenn wir das verstanden haben und bereit sind so zu leben, dann verstehen wir auch was mit einer christlichen Gemeinde, mit einer Pfarrgemeinde gemeint ist. Dann werden wir einander nicht als Fremde betrachten, sondern als Geschwister, die sich durch ihren Glauben miteinander verwandt fühlen. Gott, Jesus, erwartet von uns, dass wir es anstreben, so eine Familie zu sein - wenn wir schon Christen sein wollen. Die Pfarrgemeinde, eine Glaubensfamilie von Jesus.

Wir wollen uns da aber nichts vormachen. Wir wissen, dass wir noch nicht so weit sind, dass wir vielleicht unterwegs sind, eine Glaubensfamilie zu werden. Die heutigen Worte von Jesus reden uns ins Gewissen. Wir sollen in uns selbst gehen und fragen: „Trage ich dazu bei? Bemühe ich mich, so zu leben, so zu denken und so zu handeln?“

Zum Archiv